GeschichteFortsetzung: Das Neuwieder Hochwassersystem/ „Der Deich“Während das Schließen der Deichtore (nach einem festen Einsatzplan von der Schaltwarte der Stadtwerke gesteuert und von der Neuwieder Feuerwehr durchgeführt) jeweils unter den Augen der Neuwieder Bevölkerung stattfindet, werden im Hintergrund eine Vielzahl von Maßnahmen durchgeführt, die unbemerkt von den Blicken der Ã-ffentlichkeit sicherstellen das die Kernstadt weiterhin der lebendig pulsierende Mittelpunkt der gesamten Stadt bleibt. Der Deich, oft nur als die von der Kernstadt aus Platzgründen errichtete 5 m hohe Deichmauer wahrgenommen, ist in Wirklichkeit ein komplexes, 7,5 km langes Schutzsystem, wovon ca. 500 m als Deichmauer im Bereich der Innenstadt, der restliche Teil als Erddeich mit Tonkern ausgebildet ist. (An der Wied entlang, im Bereich des ehemaligen Werksgeländes der Firma Rasselstein, wurde teilweise eine vorhandene Ufermauer erhöht, um einen umfassenden Schutz der Stadt gegen Rhein und Wied zu erreichen). Der Deich beginnt im Bereich der Kronprinzenbrücke im Stadtteil Engers als Verschluß der ehemaligen Flutmulde im Engerser Feld der s.g. Schleyd und endet oberhalb der ehemaligen Firma Rasselstein, Gemarkung Nodhausen, an der Wied. Hochwasser vor dem Deichbau / Begründung zur Baumaßnahme: Der Bau des am Rhein wohl einmaligen Schutzbauwerkes war weis Gott keine Selbstverständlichkeit für die bis 1932 von vielen Hochwässern immer wieder heimgesuchte Stadt. Große Hochwasser, vor allem im Mittelalter 1683, 1741, 1784 etc. verhinderten mit verheerenden Folgen die Entwicklung des früheren Langendorf, woraus in der Folge die Stadt Neuwied entstand, nachdem am 24.08.1653 Kaiser Ferdinand lll. auf dem Reichstag zu Regensburg dem Grafen Friedrich lll. von Wied das Privileg zur Gründung der Stadt Neuwied erteilt hatte. Früher gab es vor allem viele Eishochwasser, die eine sehr hohe zerstörerische Kraft hatten. - Der Rhein lief z. T. als s. g. „Schleydt“ durch das Engerser Feld und die Stadt, in etwa über den heutigen Luisenplatz und schloss die Stadt von 2 Seiten ein.. Das größte, historisch bekannte Hochwasser , eben eines dieser Eishochwasser, wird aus dem Jahr 1784 gemeldet. Damals setzten Rhein und Wied die gesamte damalige Stadt und halb Heddesdorf unter Wasser, meterdicke Eisschollen prallten gegen die Häuser. Die Menschen verzweifelten sehr oft, es trat jeweils eine große „Traurigkeit“ auf. (Zitat aus der Chronik 1741); Gleichzeitig wurde eine große Nachbarschaftshilfe aus dem „kurtrierischen Ausland“ von Irlich, Engers, Gladbach u. Heimbach- Weis geleistet. Bereits Anfang des 18. Jh. ist ein erster Deichbau im Bereich der heutigen Kronprinzenbrücke zum Schutz der Felder im Engerser Feld, später auch zum Schutz der Stadt Neuwied (Verschluss der „Schleydt“) verzeichnet. Dieser Deichabschnitt wurde vor dem Deichbau 1928 nochmals verstärkt. In den Jahren 2022 und 2023 ist der Engerser Deich neu errichtet worden. Früher gab es sehr lange hochwasserfreie Zeiten, z.B.: 1683 / 1709 / 1740 / 1741 / 1784 / 1819 und 1882 durch die das Hochwasser und dessen Zerstörung immer wieder in Vergessenheit geriet. Vor dem Deichbau traten dann alle 3 - 4 Jahre Hochwasser auf, (extrem z. B.: 1882, 1919 und 1920). Vor allem das Hochwasser 1926 (3 m Wasser in der Stadt) mit einer Schadenssumme von 3-5 Millionen RM gab dann den endgültigen Ausschlag zur Deichbau-Initiative! Es bedurfte der Kraft und des Mutes vor allem zweier Männer, Robert Krups und Eduard Verhülsdonk, die gemeinsam mit weiteren damals politisch Verantwortlichen die Entscheidung zum Schutz unserer Stadt und zum Bau des Neuwieder Deichsystems herbeiführten. Es soll nachfolgend der Versuch unternommen werden, das Leben dieser beiden Männer im Zusammenhang mit dem Deichbau zu beschreiben. Bürgermeister Robert Krups: Geboren 1887 in Wald bei Solingen, Gymnasium Neuwied, ab 1920 Justizassessor, Stadtassessor und jur. Beigeordneter in Solingen, ab 1924 Bürgermeister in Neuwied, 1936 zwangsbeurlaubt durch die NSDAP. Besondere Verdienste um die Stadt Neuwied erwarb sich Robert Krups durch den Aufbau des Sozialwesen, der Stadtwerke, der Feuerwehr, der Brücke, der Stadtverschönerung und insbesondere beim Deichbau. Von 1936 bis 1945 war er als niedergelassener Verwaltungsrechtsrat in Köln tätig und betreute von dort aus u.a. die Hobraeckwerke in Neuwied, 1945 zog er nach der Ausbombung von Köln wieder nach Neuwied zurück. Für kurze Zeit lebte er in einer Notunterkunft in Weißenthurm, ehe er zuerst eine Wohnung in der Augustastraße und später ein eigenes Haus in der Elisabethstraße bewohnte. Nach 1945 war er Beirat der IHK, danach 1. Vizepräsident der IHK. Er verstarb am 13.12.1950 in Neuwied, wo ihm am 10.10.1984 im Bereich des Deichtores Pfarrstraße auf der Deichpromenade ein Denkmal gesetzt wurde. Eine Gedenktafel befindet sich rheinseitig im Bereich des Deichtores Marktstraße. Landtags- u. Reichstagsabgeordneter Eduard Verhülsdonk: Geboren am 16.04.1884 in Krefeld, kam er nach seiner Heirat am 07. November 1911 als Verlagsdirektor der Rhein – Wied - Zeitung nach Neuwied. In der Kommunalpolitik wurde er 1919 Stadtverordneter und Mitglied des Kreisausschusses. 1928 zog er in den Preußischen Landtag ein. Im Reichstag nahm er 1930 für die Zentrums – Partei den 1. Platz für den Wahlkreis Koblenz – Trier ein. Seine stets kritische Haltung gegen das NS – System brachte ihm, (genau wie Robert Krups), dessen Verfolgung ein. Er verstarb am 31.10.1934 nach einer unschuldig abgesessenen Haftzeit und einem zermürbenden Prozess. Mit Robert Krups gemeinsam kämpfte er mutig für den Bau des Neuwieder Deichsystems und erreicht 1928 eine staatliche Förderung der damaligen Reichs- und Provinzialregierung (inkl. Mitteln aus der „produktiven Erwerbslosenfürsorge“) i.H. von 6 Mio. RM wodurch der Anteil der Stadt Neuwied auf 1,7 Mio. RM begrenzt werden konnte. Zu seinem Gedenken wurde die ehemalige Roonstraße in „Eduard – Verhülsdonk – Straße“ umbenannt. Der Deichbau war für die damalige Zeit eine der größten ingenieurtechnischen Herausforderungen, die von den seinerzeit im Neuwieder Deichbauamt eingesetzten Ingenieuren in hervorragender Weise „gemeistert“ wurde. Die Maßnahme bot innerhalb von 4 Jahren (1928-1932) Arbeit für 200.000 Erwerbslosen-Tagewerke. Der Arbeitsumfang war gewaltig, er wird daher nur stichwortartig skizziert: Der Erddeich ,( 7 km lang), einschl. Bereich Kronprinzenbrücke in der Gemeinde Engers, die Deichmauer (500 m lang, und 5,00 m hoch), Erddeich mit Tonkern, Deichmauer aus Stahlbeton auf Rammpfählen , 6 größere Deichtore (Kappelstraße, Pfarrstraße, Marktstraße, Schlossstraße, B 42 + Rasselstein) 2 Quertore (Sandkauler Weg, als größtes der Deichverschlüsse, + Dammstraße) sowie kleinere Verschlüsse an Treppen + Schloßterrasse. 3 Polder mit 3 Hochwasser-Pumpwerken (max. 13,6 m³/s Förderleistung) Die Baukosten betrugen zwischen: 1926 – 1932 : 7,7 Million RM (Anteilig 6 Mio. RM Provinz- u. Reichsregierung + 1,7 Mio. RM Stadt Neuwied) Folgende wichtige Termine zum Deichbau sind bekannt:
Systembeschreibung: Die Deichhöhe beträgt ca. 5,00 m, wobei die Deichkrone vor dem Bau 1928 für einen Schutz bis zum Pegel Neuwied mit 11,20 m (ca. 1,00 m über dem höchsten bis dahin von 1926 bekannten Hochwasser) festgelegt wurde. 9 Deichtore werden nacheinander nach festgelegtem Einsatzplan geschlossen. 3 Pumpwerke fördern die Kanalabwässer auch während der Hochwasserzeiten sicher in Rhein und Wied. (Gesamtförderleistung aller Pumpen 13,6 cbm/sec.) Die Bedienung der Pumpwerke, Kanalschieber, Rechenanlagen usw. werden vom Personal der Stadtwerke bzw. der SBN, (AÃ-R) – Geschäftsbereich Abwasser gemeinsam mit dem Bereich Elektrotechnik- sichergestellt. Die Schließung der Deichtore wird durch die Feuerwehr durchgeführt. Sie wird dabei vom Personal und Gerät der SWN und SBN unterstützt. Für Straßensperrungen, Einbau der Schmutzfänger in Irlich und Fahr und eine Vielzahl weiterer Maßnahmen ist der Geschäftsbereich Ã-ffentliche Dienstleistungen der SBN (AÃ-R) zuständig. Eine Vielzahl weiterer Behörden, wie z.B. Polizei und Ordnungsamt sowie viele weitere Hilfsorganisationen, wie das THW, das DLRG, die Sanitätsdienste von DRK und MHD sowie bei Bedarf auch die Bundeswehr werden im Einzelfall durch einen Einsatzstab der Feuerwehr Neuwied koordiniert und eingesetzt. Die zentrale Einsatzleitung befindet sich im Gebäude der SWN GmbH. Die Kontrolle der Deichanlage wird während des Hochwassers von der Feuerwehr wahrgenommen, sie obliegt sonst den zuständigen Dienststellen des Landes und der Stadt. Im Jahr 1984/85 wurde eine umfangreiche Sanierung der Deichanlage durch das Land Rheinland-Pfalz durchgeführt. Von den Gesamtkosten von 1,66 Mio. DM trug die Stadt Neuwied 25 % = DM 415.000,--. Ebenso wurde in den letzten Jahren eine Überholung der Hochwasser- Pumpwerke und Deichtore vorgenommen. Bewährungsproben seit dem Bestehen der Deichanlage: Seit Fertigstellung des Deiches im Jahre 1931 hat das Deichsystem bei den jährlichen Hochwassern unterschiedlicher Höhe die Stadt Neuwied vor hohen Schäden bewahrt. Die Hochwasser 1955, 1970, 1983 und 1988 mit Höhen von Pegel Neuwied 9,30 bis 9,40 m (2,00 m unter Deichkrone) wurden bis zum 21.12.1993 als die extremsten Hochwasser seit Bestehen der Deichanlage verzeichnet. Die größte Bewährungsprobe bestand das Bauwerk bislang während des Hochwassers vom 21.12.1993 bis 08.01.1994. Der Höchststand wurde am 23.12.1993 mit 10,28 m Pegel Neuwied (ca. 0,90 m unter der Deichkrone) festgestellt, er war damit noch 6 cm höher als der extreme Hochwasserstand vom 01.01.1926 (zwei Jahre vor dem Deichbau) mit dem Höchststand von 10,22 m am Pegel Neuwied. Mit einem Pegelstand von PN 9,96 cm wurde am 30.01.1995 die Deichanlage erneut auf eine Bewährungsprobe gestellt. Das Hochwasser blieb ca. 26 cm unter dem Höchststand 1993/94 und ca. 1,30 unter der Deichkrone. Die Hochwasser November 1998 und März 2001 erreichten eine Höhe von PN 8,69 m und blieben ca. 2,57 m unter der Oberkante der wasserseitigen Deichbrüstung. Zuletzt wurde dies 1993 sichtbar und spürbar als Vater Rhein innerhalb von Stunden von Niedrigwasser zum extremen Hochwasser anschwoll und 90 cm unter der Oberkante der wasserseitigen Deichbrüstung endete. (siehe Bilder 1+2) Damit der Neuwieder Innenstadt auch weiterhin der Schutz dieses Systems erhalten bleibt, wird in Zusammenarbeit zwischen Land und Stadt Neuwied die Deichanlage laufend überwacht und unterhalten. |